Signet der Kinder- und Jugendhilfe St. Gallen

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Links zu anderen Institutionen, Organisationen

www.147.ch
Sorgentelefon für Kinder und Jugendliche

www.ostschweiz.143.ch
Die Dargebotene Hand, Telefonseelsorge Ostschweiz

www.akj.ch
Kirchliche Jugendarbeit der Stadt St. Gallen, Abtwil, Engelburg und Wittenbach

www.budgetberatung.ch
Budgetberatung Schweiz

www.berufsberatung.ch
Portal für Berufswahl, Studium und Laufbahnberatung, Lehrstellennachweis

www.eheberatung-ostschweiz.ch
Eheberatungsstellen des Kantons St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden

www.familienberatung-sg.ch
Mediation, Beziehungsberatung, Binationale Beratung, Begleitete Besuchstage, Alimentenwesen und Rechtsauskunft.

www.forummann.ch
Männerinitiative St. Gallen

www.fzsg.ch
Frauenzentrale des Kantons St. Gallen; Budgetberatung; Beratungsstellen für Familienplanung, Schwangerschaft und Sexualität; Haushilfe- und Entlastungsdienst; Kinderhütedienst

www.js.stadt.sg.ch
Jugendsekretariat St. Gallen, Information, Beratung von Jugendlichen, Quartierarbeit, Jugendkultur

www.kinderschutz.ch
Informationen zu gewaltfreie Erziehung, Gewalt an Kindern, Kinderrechte

www.kindesschutz.sg.ch
Kindesschutz - Soziales im Kanton St.Gallen

www.kispisg.ch
Ostschweizer Kinderspital; Kinderschutzzentrum

www.kjpd-sg.ch
Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienste Kanton St. Gallen

www.muetterberatung.ch/sarganserland
Mütter- und Väterberatung Sarganserland

www.notunterkunft-sg.ch
Notunterkunft für Kinder und Jugendliche

www.ovk.ch
Ostschweizer Verein für das Kind

www.pasg.ch
Pflegekinder Aktion St. Gallen

www.schuldenberatung.ch
Schuldenberatung St. Gallen

www.selbsthilfe-gruppen.ch
Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen St. Gallen

www.suchtknacker.ch
Informationen zu Suchtfragen der Suchtfachstelle St. Gallen

www.tipp.stadt.sg.ch
tipp - infos für junge leute

www.tschau.ch
Beratung und Information für Jugendliche

 

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Kontaktadresse
Kinder- und Jugendhilfe St. Gallen
Frongartenstrasse 11
Postfach 1120
9001 St. Gallen

Vertretungsberechtigte Person
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071 222 53 53

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typopoint
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9000 St. Gallen

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Empfehlungen für Zweitehen und Stieffamilien

aus dem empfehlenswerten Buch von Hans Jellouschek "Wie Partnerschaft gelingt - Spielregeln der Liebe"

Unter Stieffamilien verstehen wir hier Familien, in denen einer der Ehe- bzw. Lebenspartner nicht leiblicher Elternteil der Kinder ist, und ein leiblicher Elternteil der Kinder wegen Trennung oder Scheidung ausserhalb lebt.

  • Es ist schwer, Menschen, die man nicht gut kennt, in sein "Reich" hineinzulassen, und es ist schwer, als "Neuer" in eine bereits bestehende Gruppe hineinzukommen.

    Empfehlung:
    Beziehen Sie, wenn es irgendwie möglich ist, eine neue Wohnung oder ein neues Haus. Dann muss sich niemand als Eindringling fühlen, und niemand muss sein Territorium verteidigen.
  • Der leibliche Elternteil gerät leicht zwischen dem neuen Partner und seinen eigenen Kindern in die Zwickmühle, in Loyalitätskonflikte.

    Empfehlung an den leiblichen Elternteil:
    Geben Sie der neuen Partnerschaft Raum und Zeit, damit sie sich vertiefen kann, Sie tun damit auch für Ihr eigenes Kind das Beste, weil Sie für Stabilität in der Paarbeziehung sorgen.
  • Stiefbeziehungen sind keine gewachsenen Beziehungen, weil sie keine gemeinsame Geschichte haben.

    Empfehlung an den Stiefelternteil:
    Tun Sie gezielt etwas für den Aufbau dieser Beziehungen. Unternehmen Sie allein etwas mit Ihren Stiefkindern, und fangen Sie mit dem an, was sowohl den Kindern als auch Ihnen Spass macht

    Empfehlung an alle:
    Lassen Sie sich Zeit beim Aufbau dieser Beziehungen. Beziehungen lassen sich nicht herstellen. sie müssen wachsen, und Wachstum braucht Zeit. Haben Sie nicht den Anspruch, einander sofort "lieben" zu müssen.
  • Die Wiederheirat wird von den anwesenden Kindern oft als Verlust der alten Familie und als Gefährdung der Beziehung zum leiblichen Elternteil erlebt.

    Empfehlung an den leiblichen Elternteil in der Stieffamilie:
    Pflegen Sie die Beziehungen in der alten Restfamilie, indem Sie mit Ihren leiblichen Kindern allein eigene Unternehmungen starten.

    Empfehlung an den Stiefelternteil:
    Tolerieren Sie diese Sonderunternehmungen, auch wenn Sie vorübergehend davon ausgeschlossen sind.
  • In Stieffamilien haben mehrere oder alle einen schweren Verlust hinter sich. Und alle leben am Anfang in einer unsicheren Situation. Gereiztheit, Wutausbrüche, abweisendes Verhalten und Muffigkeit sind oft darauf zurückzuführen.

    Empfehlung:
    Nehmen Sie Abschied von der Vorstellung, Ihre Stieffamilie müsste eine harmonische Familie sein. Haben Sie Verständnis dafür, dass in Ihrer Familie die Gefühlswogen besonders hoch und tief gehen. Rechnen Sie damit, dass diese von unverarbeiteten Trauerprozessen oder von der allgemeinen noch nicht überwundenen Unsicherheit herrühren.
  • Für die Entwicklung der Kinder ist die Beziehung zu beiden leiblichen Eltern von grosser Bedeutung.

    Empfehlung an den leiblichen Elternteil:
    Sorgen Sie für einen regelmässigen Kontakt Ihres Kindes zum getrennten Elternteil, auch wenn dies gewisse Unruhe in die Familie bringt und alte Verletzungen dadurch berührt werden.
  • Kinder in Stieffamilien geraten leicht in Loyalitätskonflikte zwischen ihrer Stieffamilie und dem getrennten leiblichen Elternteil.

    Empfehlung an den leiblichen Elternteil:
    Verhandeln Sie in Sachen, die das Kind betreffen, direkt mit dem getrennten Partner, und benutzen Sie nicht das Kind als Zwischenträger. Bemühen Sie sich um einen achtungsvollen Kontakt zum getrennten Partner, und vermeiden Sie in Anwesenheit des Kindes abfälliges Reden über ihn. Damit helfen Sie dem Kind, sich innerlich nicht hin- und hergerissen zu fühlen zwischen seinen beiden Eltern.
  • Stieffamilien sind Familien ohne eine gemeinsame Geschichte.

    Empfehlung:
    Unternehmen Sie eigene Anstrengungen zur Entwicklung neuer Gewohnheiten. Traditionen und Verhaltensregeln. Dafür eignen sich, vor allem anfangs, regelmässige Familienkonferenzen. in denen alle zu Wort kommen. Besonders wichtig ist dies bei Familien mit Teenagern.
  • Es ist schwierig für den Stiefelternteil, den Stiefkindern gegenüber eine Rolle zu finden.

    Empfehlung an den Stiefelternteil:
    Seien Sie, besonders am Anfang, sehr zurückhaltend in der Übernahme von Erzieherfunktionen Übernehmen Sie sich nicht, bevor nicht eine persönliche, liebevolle Beziehung zum Stiefkind gewachsen ist. Versuchen Sie nicht, zum getrennten leiblichen Elternteil in Konkurrenz zu treten. Sie werden sonst den Kürzeren ziehen. Versuchen Sie eher, ein älterer Freund, eine ältere Freundin für das Kind zu sein, als Vaters oder Mutters Stelle einzunehmen.

    Empfehlung an den anwesenden leiblichen Elternteil:
    Fühlen Sie sich für die Erziehung Ihrer Kinder selber voll zuständig, und locken Sie durch eigene Hilflosigkeit den Partner nicht in eine Erzieherrolle, an der er scheitern muss.
  • Sexualität hat in Stieffamilien einen anderen Stellenwert, weil sie durch das lnzesttabu nicht so geschützt ist wie in Normalfamilien.

    Empfehlung:
    Seien Sie sich dieser ungeschützten Situation bewusst, und verstehen Sie von daher Ängstlichkeiten und Überempfindlichkeiten, z.B. bei Heranwachsenden. Sprechen Sie als Paar immer wieder über Ihre Beobachtungen und Gedanken zu diesem Punkt, und tabuisieren Sie da Thema nicht.


Quelle: Hans Jellouschek, 1998, „Wie Partnerschaft gelingt - Spielregeln der Liebe“ Herder Verlag, ISBN 3-451-26660-1

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Woran merken Ihre Kinder, dass Sie sie gern haben?

Eltern sein ist ein anspruchsvoller Beruf. Ein Beruf, der vorwiegend in der täglichen Praxis gelernt wird, Eltern sein heisst nicht nur Mutter, Vater sein, sondern auch Frau, Mann und Partner oder Partnerin.

Die Fragen sollen Sie dazu anregen, sich Gedanken zu machen zu den verschiedenen Rollen, die Sie als Mutter oder Vater leben.
Bei den Fragen kann „Mutter“ auch ersetzt werden mit „Vater“ und umgekehrt – ebenso steht „Kind“ auch für „Kinder“. Die freien Linien können Sie für Notizen zu Ihren Gedanken und Überlegungen benutzten.

Wir freuen uns, wenn die Fragen Sie zu Auseinandersetzung und Gesprächen mit Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner, FreundInnen oder Bekannten und andern Eltern anregen.

Was sind Ihre besonderen Qualitäten als Vater?

Was können Sie von Ihrem Partner in der Erziehung lernen? Und umgekehrt?

Leben Sie getrennt als Eltern? Wie unterstützen Sie die Beziehung Ihrer Kinder zum anderen Elternteil?

Haben Sie genügend Zeit für sich selbst? Was könnten Sie verändern, wenn Sie die Frage mit „nein“ beantworten?

Wie unterstützen Sie Ihr Kind in seiner Persönlichkeit?

Sind Sie zufrieden mit der Arbeitsaufteilung zwischen Ihnen und Ihrem Partner?

Leben Sie alleine mit einem Kind? Welche Chancen sehen Sie darin? Und welche Risiken?

Wie pflegt Ihr Kind Beziehungen zu Bezugspersonen ausserhalb der Familie?

Wie unterstützen Sie die Beziehung zwischen den Geschwistern?

Wer kümmert sich um Ihr Kind, wenn es weint? Ist das für Sie als Elternteil befriedigend?

Haben Sie sich „eigene Kinder haben“ so vorgestellt, wie Sie es jetzt erleben?

Was schätzen Sie an Ihrem Partner als Vater? Weiss er das und wie drücken Sie diese Wertschätzung aus?

Woran merken Ihre Kinder, dass Sie sie gern haben?

Wie unterstützen oder fördern Sie den Kontakt Ihres Kindes zu seinen Spielkameraden und Freundinnen?

In welchen Situationen fühlen Sie sich als Vater besonders glücklich? Was schätzen Sie besonders an Ihren Kindern? Wie drücken Sie das aus?

Was gibt Ihnen Sicherheit im Umgang mit Ihrem Kind?

Wie verhalten Sie sich in familiären Stresssituationen gegenüber den Kindern? Sind Sie mit Ihrem Verhalten zufrieden?

Was unternehmen Sie bei Unsicherheit in der Beziehung zu Ihrem Kind?

Leben Sie getrennt von Ihren Kindern? Was tun Sie dafür, dass die Beziehung zu Ihren Kindern tragfähig und lebendig bleibt?

Wieviel Zeit verbringen Sie als Paar seit der Geburt Ihres Kindes?

Mit wem können Sie über Ihre Werte in der Erziehung sprechen? Glauben Sie, dass sich Ihre Werte verändern könnten?

Was schätzen Sie an sich als Mutter?

Was tun Sie, wenn die Beziehung zu Ihrem Kind schlecht zu werden droht?

Möchten Sie in nächster Zeit in Ihrem Verhalten gegenüber Ihrem Kind etwas verändern? Was genau und wer oder was kann Sie dabei unterstützen?

Glauben Sie, Eltern sein sei ein Beruf, der nicht erlernt werden müsse? Oder: was würden Sie gerne lernen?

 

 Fragebogen als Pdf

 

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Zusammenfassung des Buches "Kinderjahre - Die Individualität des Kindes als erzieherische Herausforderung" von Remo H. Largo, Piper Verlag GmbH, München 1999

Die Individualität eines Kindes wird durch die folgenden Faktoren bestimmt: Verschiedenheit in seinen Fähigkeiten und Eigenschaften, Selbst- und Fremdwahrnehmung.

Verschiedenheit:
Jedes Kind weist eine einmalige Zusammensetzung von Fähigkeiten und Eigenschaften auf.

Selbstwahrnehmung:
Ab dem 3. Lebensjahr beginnt das Kind sich als Person bewusst wahrzunehmen.

Fremdwahrnehmung:
Die Art und Weise, wie die Eltern mit dem Kind umgehen, die soziale Anerkennung von Eltern, Bezugspersonen und Gleichaltrigen sowie kulturelle und gesellschaftliche Faktoren bestimmen die Individualität eines Kindes mit.

Erziehung zur Individualität bedeutet: Das Kind kann seine Stärken und Schwächen entwickeln und lernt, seine Schwächen anzunehmen.

"Die Erziehung streut keinen Samen in die Kinder hinein, sondern lässt den Samen in ihnen aufgehen." (Khalil Gibran)

Die Bindung des Kindes an die Eltern ist die Grundlage der Erziehung.

Die Eltern-Kind-Bindung hat ihre Wurzeln in den eigenen Kindheitserfahrungen und in der Partnerschaft der Eltern. Sie wird geprägt durch die Fürsorge für das körperliche und psychische Wohlbefinden des Kindes, die Zuwendung, die sie von ihm erhalten, und die gemeinsamen Erfahrungen, die sie mit ihm machen.

Eine Bezugsperson zeichnet sich dadurch aus, dass sich ein Kind in ihrer Gegenwart wohl und geborgen fühlt, interessiert und aktiv ist sowie bei ihr Geborgenheit, Zuwendung und Schutz findet. Für ein Kind ist es vorteilhaft, wenn es von mehreren Bezugspersonen betreut wird. Seine Fähigkeit, Beziehungen aufzubauen, wird grösser, es lernt von verschiedenen Vorbildern und hat mehr Erfahrungsmöglichkeiten.

Die Aufgaben der Eltern und der Bezugspersonen sind:

  • Die materielle und soziale Umgebung für das Kind so zu gestalten, dass es seinem Entwicklungsalter entsprechende Erfahrungen machen kann;
  • dem Kind Vorbild zu sein, ausreichend Zeit und Musse für gemeinsame Erfahrungen zu nehmen;
  • das Kind an ihren Aktivitäten teilhaben zu lassen und so zu unterstützen, dass es selbständig zu Erfahrungen und neue Einsichten kommen kann;
  • das Kind in denjenigen Bereichen zu unterrichten, für die es Interesse zeigt.

"Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht." (Afrikanisches Sprichwort)

Wichtiger als alle Kenntnisse ist die Bereitschaft der Eltern, die Bedürfnisse und das Verhalten ihres Kindes ernst zu nehmen: Wenn ein Kind eine bestimmte Erfahrung machen will, dann ist diese auch sinnvoll für seine Entwicklung. Dazu gehört auch zu akzeptieren, dass, wenn Verhaltenssignale ausbleiben, ein Kind für einen bestimmten Entwicklungsschritt noch nicht bereit ist. Wenn sich ein Kind nicht für den Löffel interessiert, dann will es noch nicht selbständig essen. Wenn es Topf und WC ignoriert und den Harn- und Stuhldrang noch nicht spürt, sollten Eltern mit der Sauberkeitserziehung zuwarten. Wenn ein Kind sich noch nicht für Zahlen interessiert, sollten die Eltern mit ihm nicht das Zählen üben.

Eine Strategie, um herauszufinden, wo ein Kind steht, ist, ihm ein Angebot zu machen und darauf zu achten, wie es darauf reagiert. Wenn es Interesse zeigt, entspricht das Angebot seinem Entwicklungsstand. Wenn nicht, sollte dem Kind nichts aufgedrängt werden. Der Vater macht seiner 18 Monate alten Tochter vor, wie Duplosteine aneinandergesteckt und auseinandergenommen werden können und wie damit ein Turm gebaut werden kann. Wenn das Mädchen von seinem Entwicklungsstand her dazu bereit ist, wird es die Anregung aufgreifen und mit den Duplosteinen zu spielen beginnen. Falls nicht, wird es sich anderen Spielsachen zuwenden. Die Mutter schreibt dem sechsjährigen Sohn seinen Namen und einfache Wörter vor. Wenn der Junge keinerlei Interesse an den Buchstaben zeigt, sollte die Mutter für einige Zeit davon ablassen. Ist seine Fähigkeit zum Lesen und Schreiben ausreichend herangereift, wird der Junge versuchen, seinen Namen nachzuschreiben. Das Interesse und der Affekt des Kindes, die sich in seiner Mimik und seiner Körperhaltung spiegeln, sind untrügliche Indikatoren dafür, ob ein Angebot seinem Entwicklungsstand entspricht oder nicht.


Wie können Eltern und Bezugspersonen dem Kind Geborgenheit vermitteln, ihm Zuwendung und soziale Anerkennung geben und es in seiner Entwicklung unterstützen?

Geborgenheit
Die Grundvoraussetzung für das Wohlbefinden, die Entwicklung und ein gutes Selbstwertgefühl eines Kindes ist die Geborgenheit. Es sind einige wenige, aber spezifische Qualitäten, über die eine Bezugsperson verfügen sollte, damit sie einem Kind ein Gefühl von Geborgenheit vermitteln kann:

  • Gegenseitige Vertrautheit. Wenn ein Säugling schreit, kann er hungrig oder müde sein, sich unwohl fühlen oder ein Bedürfnis nach Nähe haben. Um ihn zufriedenzustellen, muss jemand mit seinem Verhalten und seinen Gewohnheiten vertraut sein. Wenn ein Säugling müde ist, sind viele Massnahmen denkbar: bei ihm bleiben, bis er eingeschlafen ist; ihm leise zureden; ihm über den Kopf streicheln, ihn auf den Arm nehmen und wiegen oder mit ihm herumgehen. Bereits Säuglinge sind so verschieden, dass keine einzelne Massnahme bei allen Säuglingen erfolgversprechend sein kann. Nur eine Person, die mit dem Säugling vertraut ist, kann diejenige Massnahme ergreifen, die ihm angemessen ist. Er fühlt sich wohl und geborgen, wenn er spürt, dass die Bezugsperson seine Bedürfnisse kennt und zu befriedigen versteht. Zur Vertrautheit gehört auch, dass ein Säugling die Person an ihrer Stimme, ihrem mimischen Ausdruck und an der Art und Weise, wie er von ihr aufgenommen und auf dem Arm gehalten wird, erkennt.
     
  • Verfügbarkeit. Die Bedürfnisse eines Kindes sollen zuverlässig befriedigt werden. Ein Kind fühlt sich geborgen, wenn die Bezugspersonen verfügbar sind. Ein Säugling will seine Bedürfnisse rasch und umfassend befriedigt haben. Er kann mit einem Aufschub nicht umgehen und reagiert darauf mit verstärkter Forderung. Je älter ein Kind wird, desto eher vermag es auch abzuwarten, vorausgesetzt, seine Bedürfnisse werden verlässlich befriedigt.
     
  • Beständigkeit. Wenn ein Kind von seiner Mutter immer auf die gleiche Weise zu trinken bekommt, gewickelt und ins Bett gelegt wird, weiss es nach einiger Zeit: So, wie meine Mutter mich auf den Arm nimmt, gibt es zu trinken, werde ich trockengelegt oder geht es ans Schlafen. Durch Konstanz in ihrem Verhalten werden Mutter, Vater und andere Bezugspersonen dem Kind vertraut und in ihrem Verhalten voraussagbar. Ein Kind entwickelt aus seinen Erfahrungen Erwartungen, die, wenn sie bestätigt werden, ihm ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit geben. Eine Bezugsperson, die in ihrem Verhalten beständig ist, schafft Vertrauen.
    Eine konsequente Erziehungshaltung ist nicht nur für das psychische, sondern auch das körperliche Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit eines Kindes wesentlich. Körperfunktionen wie Schlafen und psychische Funktionen wie Aufmerksamkeit hängen von biologischen Rhythmen ab. Die Rhythmen können sich nur ausbilden und festigen, wenn die Aktivitäten eines Kindes in einen regelmässigen Tagesablauf eingebunden sind. Kinder und Erwachsene fühlen sich am wohlsten und sind am leistungsfähigsten, wenn ihr Leben in geregelten Bahnen verläuft. Konsequenz allein macht Erziehung aber weder sinn- noch wirkungsvoll. Sie ist es nur dann, wenn sie dem Verhalten und Entwicklungsstand des Kindes angepasst ist. Eltern bringen ihr einjähriges Kind um 7 Uhr abends zu Bett und erwarten, dass es bis 7 Uhr morgens 3 schläft. Wenn das Kind aber nur zehn Stunden schlafen kann, wird eine noch so konsequente Erziehungshaltung seine Schlafdauer nicht verlängern, sondern nur zu Schlafstörungen führen. Wird ein Kleinkind fünfmal pro Tag immer zur gleichen Tageszeit auf den Topf gesetzt, kann es bei aller erzieherischer Konsequenz nur dann sauber und trocken werden, wenn seine Darm- und Blasenkontrolle ausreichend entwickelt sind.
     
  • Angemessenheit ist die wichtigste Verhaltensqualität, über die eine Bezugsperson verfügen sollte. Angemessenes Verhalten zeichnet sich dadurch aus, dass es den individuellen Bedürfnissen und Eigenheiten eines Kindes angepasst ist. Weil das Bedürfnis nach Geborgenheit von Kind zu Kind unterschiedlich gross ist, sind gleichaltrige Kinder auch verschieden stark auf ihre Bezugspersonen angewiesen, beispiels- weise auf einem Spielplatz. Einige Kinder lösen sich leicht von ihren Müttern und suchen rasch den Kontakt mit anderen Kindern. Manche sind in ihrer Bereitschaft, auf andere Kinder zuzugehen, sehr zögerlich und brauchen mehr Zeit, um sich mit ihnen anzufreunden. Ein mütterliches Verhalten, das für das eine Kind angemessen ist, kann ein anderes als Vernachlässigung und ein drittes als Überbehütung erleben. Am besten ist es, wenn die Mutter ihrem Kind als sichere Basis dient, von der aus es die nähere Umgebung in immer grösseren Radien erkunden kann. Sie bestätigt dem Kind, wenn es danach verlangt, dass sie da ist und lässt ihm Zeit, sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Sie ermuntert es, mit anderen Kindern Kontakt aufzunehmen, überlässt die Initiative aber ihm. Sie schreitet erst dann ein, wenn sich das Kind in Gefahr bringt. Das Kind fühlt sich behütet und unterstützt: Meine Mutter gibt mir jederzeit den notwendigen Rückhalt, schränkt mich aber in meinen Aktivitäten nicht ein. Diese Gewissheit verschafft dem Kind die innere Freiheit, seine Umwelt zu erkunden. Das Kind ist aktiv, spielt und lässt sich, sobald es dazu fähig ist, mit den anderen Kindern ein.
     
  • Kontinuität in der Betreuung. Ein Kind fühlt sich nur dann geborgen, wenn es jederzeit an eine Bezugsperson gelangen kann. Dies bedeutet nicht, dass nur eine Person und insbesondere die Mutter das Kind betreuen muss. Ein Kind kann sich in jedem Alter auf verschiedene Bezugspersonen einstellen. Die Kontinuität in der Betreuung sollte aber durch vertraute Personen gewährleistet sein.


Zuwendung und soziale Akzeptanz
Die Verhaltensqualitäten, über die eine Bezugsperson verfügen sollte, um dem Kind ein Gefühl von Geborgenheit zu geben, gelten auch für die Zuwendung. Die wichtigste Qualität ist wiederum ein angemessenes Verhalten. Ein Kind fühlt sich nicht um so wohler, je mehr Zuwendung es erhält. Die Beziehung zwischen Kind und Bezugsperson wird auch nicht besser, je mehr sich diese mit dem Kind abgibt. Das Kind will nicht beliebig viel Zuwendung, sondern dasjenige Mass, das es für sein Wohlbefinden benötigt. Es will die Zuwendung auch nicht irgendwann – beispielsweise dann, wenn es dem Erwachsenen passt –, sondern dann, wenn es sie braucht.

Der Austausch von Zärtlichkeiten ist ein Wechselspiel: Phasen von Interesse und Zuwendung wechseln ab mit Phasen der Erholung. Die Bereitschaft zum Austausch und das Bedürfnis nach Erholung ist von Kind zu Kind verschieden ausgeprägt. Zuwendung, die das Kind nicht verlangt, empfindet es oft als störend. Die individuellen Eigenheiten seines Beziehungsverhaltens sollten wir respektieren, damit das Kind weder zuwenig Zuwendung erhält noch überfordert und irritiert wird. Dies gilt nicht nur für Säuglinge, sondern für Kinder jeden Alters.

Eine weitere wichtige Form der Zuwendung ist neben dem sozialen Spiel das gemeinsame Erleben. Den Erwachsenen bei ihren Aktivitäten zuzusehen und allenfalls mitzutun ist ein wesentlicher Bestandteil des sozialen Lernens und bedeutet für ein Kind immer auch Zuwendung.

Je älter ein Kind wird, desto bedeutungsvoller wird die soziale Anerkennung. Sein individuelles Profil an Fähigkeiten und Eigenschaften bestimmt mit, wieviel Anerkennung es bekommt. So kann es geschehen, dass manche Kinder aufgrund ihrer Leistungen sehr viel Zuwendung erhalten und andere leer ausgehen. Ein Teil der Anerkennung, die Eltern und Bezugspersonen (wie etwa Lehrer) einem Kind geben, sollte daher immer seiner Person gelten.

Gewährenlassen nimmt einem Kind die Angst, die Eltern könnten über seine Aktivitäten verfügen. Versuchen die Eltern aber, über seine Aktivitäten zu bestimmen, neigt es dazu, sich ihnen zu entziehen oder wird unselbständig. Wenn die Eltern das Kind bestimmen lassen, erlebt es dies als Zuwendung: Die Eltern nehmen mich ernst, sie lassen mich so, wie ich bin, und vertrauen mir.


Entwicklung und Lernen
In jedem Lebensabschnitt reifen Fähigkeiten heran, die das Kind durch entsprechende Erfahrungen verinnerlicht. In welchem Alter dies geschieht und in welchem Ausmass, ist von Kind zu Kind verschieden. Das Kind sollte daher über seine Aktivitäten möglichst selbst bestimmen können.

Wenn sich ein Kind von seiner Neugier leiten lässt, bestehen seine Erfahrungen immer auch aus Irrtümern, Umwegen und Misserfolgen, die wesentlich dazu beitragen, dass das Kind Lernstrategien entwickeln und konfliktfähig werden kann. Sie sollen dem Kind daher nicht erspart werden, ebensowenig wie Langeweile. Diese Perioden unbehaglcher Leere haben durchaus ihren Sinn: Sie helfen dem Kind herauszufinden, was es eigentlich will. Eltern und Bezugspersonen erweisen ihm einen schlechten Dienst, wenn sie es abzulenken versuchen oder sich als Unterhalter einspannen lassen.

Aus den selbstbestimmten Erfahrungen gewinnt das Kind sein Selbstvertrauen: Ich bin fähig zu lernen und kann Zusammenhänge in dieser Welt verstehen. Eltern und Bezugspersonen sollen dem Kind die Erfahrungen ermöglichen, die es für seine Entwicklung braucht: Sie dienen ihm als Vorbilder, bieten ihm ein Umfeld an, in dem es selbständig seinen entwicklungsspezifischen Interessen nachgehen kann, und sie unterweisen es.


Vorbild sein
Zunächst nimmt sich das Kind die Eltern und die Geschwister zum Vorbild. Dann kommen immer mehr Erwachsene und Kinder ausserhalb der Familie dazu. Das Kind richtet sich v. a. nach Personen, die ihm vertraut sind. Es ahmt nach und verinnerlicht,

  • wie die Eltern mit ihm, den Geschwistern, untereinander und mit anderen Personen umgehen. Hören sie aufeinander? Wer bestimmt? Wer muss wem gehorchen?
  • wie sich Eltern und Geschwister im Alltag verhalten. Was haben sie für Essmanieren? Wie kleiden sie sich? Wie gehen sie mit Haustieren um?
  • wie sich Mutter und Vater zur Arbeit stellen. Welche Bedeutung haben berufliche Stellung und Leistung für sie? Was ist ihnen eine Last, was machen sie mit Begeisterung?
  • wie sie ihre Freizeit verbringen. Treiben sie Sport? Interessieren sie sich für die Natur? Lesen sie Bücher und Zeitungen? Welche Fernsehsendungen sehen sie sich an?


Eltern und Bezugspersonen dienen dem Kind nicht nur als Vorbilder. Sie leben dem Kind auch Wertvorstellungen vor:

  • Die Mutter geht für die Nachbarin, die sich den Fuss gebrochen hat, einkaufen.
  • Der Vater nimmt einen Kratzer an seinem Auto mit einem Achselzucken zur Kenntnis und bricht nicht in einen Wutanfall aus.


Wie sich Eltern und Bezugspersonen auch immer verhalten: Sie haben Vorbildfunktion. Wenn sich die Eltern dem Kind entziehen, sucht es sich anderswo Vorbilder, vielleicht auch solche, die sich die Eltern für ihr Kind nicht wünschen. Wenn das Kind nicht genügend Vorbilder im realen Leben finden kann, sucht es Ersatz in Büchern oder Fernsehsendungen. Das Kind ist biologisch darauf angelegt, sein Verhalten nach Vorbildern auszurichten.

Neben dem Sozialverhalten erwirbt ein Kind auch viele andere Verhaltensweisen durch Nachahmung. Selbständig essen oder sauber und trocken werden, beruht auf sozialem Lernen.

Vorbild sein kann mühevoll sein. Zeit, Einfühlungsvermögen und Geduld sind nötig. Wenn ein Kind mit einem Erwachsenen etwas unternehmen will, sollte dieser nicht gleich vermuten: Das Kind will nicht allein spielen, es will unterhalten werden. Ein Kind erwartet zu Recht von den Eltern und den Bezugspersonen, dass sie als Vorbilder zur Verfügung stehen sowie Zeit, Interesse und Geduld für gemeinsame Erfahrungen aufbringen.


Wer bestimmt?
Bereits im frühesten Alter verfügt ein Kind über eine – wenn auch noch sehr beschränkte – Kompetenz. Ein Neugeborenes ist bei der Nahrungsaufnahme kompetent. Wieviel Nahrung sein Körper benötigt, kann nur das Kind bestimmen. Eltern können nicht wissen, wieviel Nahrung es braucht. Sie sollten daher auch nicht festlegen, wieviel ein Säugling trinken soll, oder von einem Kleinkind verlangen, dass es den Teller leer isst, den sie ihm gefüllt haben.

Das Kind soll entscheiden, wieviel es essen und trinken will. Es bestimmt aber nicht, was es zu essen und zu trinken bekommt. Das Kind ist nicht kompetent in der Auswahl der Speisen und soll sie daher auch nicht bestimmen. Es liegt in seinem eigenen Interesse, dass die Eltern darüber entscheiden. Die Eltern, zumeist die Mutter, bestimmen, in welchem Alter ein Säugling Brei bekommt, ob ein Kleinkind seinen Durst mit Wasser oder Fruchtsaft löscht, welche Speisen auf den Mittagstisch kommen und ob es zwischen den Mahlzeiten Süssigkeiten gibt.

Wie mit dem Essen und Trinken sollte es auch in der übrigen Erziehung sein. Überall, wo das Kind kompetent ist, darf es bestimmen; in allen anderen Bereichen entscheiden die Eltern. In jedem Alter gibt es Bereiche, in denen das Kind bestimmen kann und auch soll, und andere, in denen die Eltern entscheiden müssen:

  • Wie viele Stunden ein Kind nachts schlafen kann, hängt von seinem individuellen Schlafbedarf ab. Wann, wo und wie es zu Bett gebracht wird, bestimmen die Eltern.
  • Wann ein Kind trocken und sauber werden kann, hängt von seinem individuellen Entwicklungstempo ab. Auf welche Weise dies geschieht, bestimmen die Eltern.
  • Wieviel Geborgenheit und Zuwendung ein Kind braucht, hängt von seinem individuellen Bindungsbedürfnis ab. Wer dieses befriedigt und auf welche Weise, bestimmen die Eltern und die Bezugspersonen.


Die Eltern sollten sich nicht am einzelnen Bedürfnis, sondern am Allgemeinverhalten des Kindes orientieren: Wenn es gedeiht, gesund, zufrieden und motorisch aktiv ist und sich an seiner Umgebung interessiert zeigt, dann ist es ausreichend ernährt, bekommt den notwendigen Schlaf und erhält genügend Geborgenheit und Zuwendung.

Eltern und Bezugspersonen sollten den Drang des Kindes nach Selbständigkeit unter- stützen, indem sie ihm immer wieder zu verstehen geben, dass es auf sein Inneres hö- ren soll und dass das, was es aus eigenem Antrieb heraus macht, richtig ist. Eine solche Haltung zeichnet sich durch eine wohlwollende aufmerksame Gelassenheit aus, die dem Kind zu verstehen gibt: Ich bin da, wenn du mich brauchst. Ich dränge mich dir aber nicht auf. Ein derart selbstbestimmtes Kind akzeptiert auch die Grenzen, die ihm Eltern und Bezugspersonen setzen müssen.


Chancen geben
Das Selbstwertgefühl für die Lebensbewährung des Kindes wird als entscheidend angesehen. Im Zentrum stehen Geborgenheit, Zuwendung und Anerkennung der Person. Wenn sich Eltern von ihren bisherigen Erziehungsvorstellungen lösen wollen, fallen einige Orientierungshilfen weg und eine gewisse Hilflosigkeit kann sich einstellen. Die Eltern müssen Vertrauen zum Kind fassen:

Vertrauen in seine Stärken. Die Vielfalt unter Kindern verlangt ein Abrücken von Normvorstellungen und allgemeinen Erwartungen. Die Eltern sehen ein, dass sich ihr Kind nur bedingt nach ihren Vorstellungen und ihren Vorgaben entwickeln wird. Manche Akademikereltern erwarten, dass auch ihr Kind an der Universität studiert. Diese Hoffnung kann durchaus den Interessen des Kindes entsprechen. Vielleicht zieht es aber vor, Möbelschreiner zu werden oder in der Hotellerie tätig zu sein. Ein Kind als Individuum ernst zu nehmen bedeutet, auf seine Bedürfnisse und Neigungen zu achten. Lebenstüchtig wird das Kind dann werden, wenn es seine Stärken selbst entwickeln kann. Ein geschickter und von der Kundschaft geschätzter Möbelschreiner fühlt sich allemal besser als ein desinteressierter, arbeitsloser Akademiker.

Das Vertrauen gewinnen, dass sich das Kind entwickeln will und auch wird. Die Eltern verlassen sich auf die innere Kraft des Kindes, welche die Entwicklung vorantreibt, und auf seinen angeborenen Drang, die soziale und die materielle Umwelt verstehen zu wollen. Die Eltern unterstützen es, bevormunden es aber nicht. Sie überlassen ihm soweit wie möglich die Initiative. Sie akzeptieren, dass das Lernen für ihr Kind eine genauso wichtige Erfahrung ist wie die schliesslich erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse.

Das Vertrauen finden, dass das Kind gehorcht, wenn es sich geborgen und angenommen fühlt. Die Eltern kontrollieren ihr Kind weniger mit Lob und Strafe als vielmehr durch ein ausreichendes Mass an Geborgenheit und Zuwendung. Dies hat selbstverständlich nicht zur Folge, dass das Kind immer gehorchen wird. Es hat vielerlei starke Bedürfnisse und Eigeninteressen, die mit der emotionalen Abhängigkeit von den Bezugspersonen konkurrieren können. Ungehorsam und Konflikte sind daher unvermeidlich. Eine gute und stabile Beziehung zu Eltern und Bezugspersonen bringt ein Kind – bei allem Protest – aber immer wieder dazu, einzulenken.


Damit die Eltern diese Umstellung auch schaffen, müssen sie auch Vertrauen zu sich selbst fassen: Wir können unser Kind "lesen" und auf seine Bedürfnisse und Eigenheiten eingehen. Dieses Vertrauen kann nur aus konkreten Erfahrungen heraus entstehen. Die Eltern sollten sich und dem Kind eine Chance geben, indem sie sich auf das Kind einlassen. Eine solche Chance besteht beispielsweise dann, wenn sich der Vater am Wochenende für seine dreijährige Tochter einen Nachmittag Zeit nimmt. Er bestimmt nicht, sondern lässt die Tochter machen. Er überlässt ihr die Initiative, geht aber auf ihre Aktivitäten ein, wenn sie möchte. Er zeigt Interesse an dem, was sie macht, und bestärkt sie darin. Die Tochter ist den ganzen Nachmittag zufrieden und aktiv. Zunächst beansprucht sie den Vater sehr, dann immer weniger. Sie sucht regelmässig seine Nähe, um bei ihm "aufzutanken", spielt aber den Grossteil des Nachmittags – für den Vater erstaunlich – für sich allein. Am Abend macht der Vater eine weitere bemerkenswerte Erfahrung: Als er beim Abendessen seine Tochter auffordert, keine Essensreste auf den Boden zu werfen, lenkt sie mit weit weniger Protest als früher ein. Es bereitet ihm auch keine Mühe, seine Tochter zurechtzuweisen und fest zu bleiben. Ihre durch die 9 gemeinsam verbrachten Stunden gefestigte Beziehung wird durch diese Zurechtweisung nicht erschüttert.


8.4.02, Andrea Dürr 10

 

 

Signet der Kinder- und Jugendhilfe St. Gallen

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Aus: Zeitschrift Netz 2–07, Pflegekinder-Aktion Schweiz, www.pflegekinder.ch, von Silvia Schenk

Die grosse Kunst: Im Notfall schnell und gut platzieren

Wenn Thomas Bont, Leiter der «Puzzle Vermittlung von Gastfamilien», eine Notfallplatzierung vornehmen muss, greift er in der Regel zum Arbeitsinstrument «Familiensteckbrief.» Aktuell führt er Dossiers über 28 Familien, die für die Notaufnahme eines Kindes abgeklärt und bereit sind, für wenige Tage bis drei Monate ein Kind in ihrer Gastfamilie aufzunehmen.

Bei einer Toggenburger Vormundschaftsbehörde klingelt das Telefon. Ein Polizist aus B. meldet, dass sich eine Mutter bei ihm auf dem Posten befinde, die sofort in die Klinik gebracht werden müsse. Da sei aber noch ein kleines Kind, ein Mädchen: «Wohin können wir es bringen?», will er wissen. Die Vormundschaftssekretärin ruft Thomas Bont, den Leiter der «Puzzle Vermittlung von Gastfamilien» in St. Gallen an mit dem Auftrag, eine Notplatzierung in die Wege zu leiten. Thomas Bont lässt in Gedanken die ihm bekannten SOS-Familien Revue passieren. Unzählige Wenn und Aber schiessen ihm durch den Kopf: Ein ihm gut bekanntes Paar wohnt in der Nähe des besagten Polizeipostens. Allerdings hat diese Familie selber ein kleines Pflegekind. Ob das Mädchen da hineinpasst? Oder andersrum gefragt: Passt dieses Familiensystem zu dem ihm unbekannten Kind? Eigentlich achtet er darauf, dass ein zu platzierendes Kind das jüngste Puzzle-Teilchen ist. Die Zeit drängt. Er muss handeln. Kurz entschlossen ruft er die Familie an und erhält zu seiner Erleichterung eine spontane Zusage. Das hat er noch nie erlebt – eine Notfallplatzierung, die so schnell über die Bühne gegangen ist. In der Regel hat er mehr Zeit, um der aufnehmenden Familie wenigstens ein Minimum an Informationen geben zu können. Diesmal ist alles anders.

Anforderungen an Puzzle-Familien
Die Frage, ob und in welchem Fall eine Familie zum Einsatz kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Alle potenziellen Pflegefamilien müssen – unabhängig von der Kinder- und Jugendhilfe – ein gesichertes Einkommen haben, damit unbelastet platziert werden kann. Aktive, engagierte und motivierte Paare, die sich weiterbilden und auf ihren Erfahrungen aufbauen können, werden bevorzugt. Alle interessierten Familien, deren Dossier bei der KJH liegt, werden viermal jährlich zu einem Treffen eingeladen, um Erfahrungen auszutauschen, sich zu vernetzen und Kontakt zu pflegen. Es besteht laufend Bedarf an neuen Familien.
Die Puzzle-Gastfamilien verfügen über eine soziale oder pädagogische Ausbildung oder/und ausgewiesene Erfahrung. Sie zeichnen sich aus durch Tragfähigkeit, Belastbarkeit, Flexibilität und Verschwiegenheit. Ihre Haltung gegenüber der Herkunftsfamilie ist wertschätzend.
Der Leiter des platzierenden Dienstes pflegt eine offene Kommunikation mit den aufnehmenden Familien. Er fragt sich: «Was braucht diese Familie, damit sie den Betreuungsauftrag erfüllen kann und nicht in die Wiederholungsfalle tritt?» Ein Beispiel: «Wenn ein Kind in seiner Herkunftsfamilie geschlagen wurde, wird es die Pflegeeltern provozieren, bis sie gleich reagieren wie die Eltern. Darum müssen spezielle Vorfälle, die das Kind betreffen, seine Geschichte und die Thematik, die es mitbringt, der aufnehmenden Familie bekannt sein.»

Eine überfallartige erste Begegnung
Die Puzzle-Gastmutter Prisca Hefter hat besagten Novembernachmittag in lebhafter Erinnerung: «Gegen 17 Uhr rief uns Thomas Bont an und fragte, ob wir bereit wären, ein vierjähriges Mädchen aufzunehmen, dessen Mutter in die psychiatrische Klinik gebracht werden müsse.» Prisca Hefter erklärte sich einverstanden, informierte ihren Mann, der noch bei der Arbeit war und dem unverhofften Familienzuwachs zustimmte. Eine knappe Stunde später fuhr der Streifenwagen vor. «Der eine der Polizisten blieb bei der Mutter im Auto, der andere kam mit dem Mädchen auf dem Arm zur Haustüre. Die Kleine trug eine kurze Hose und Moon Boots», schildert die Pflegemutter ihre ersten Eindrücke. «Der Polizist wirkte auf mich ganz verdattert. Er war sichtlich erleichtert, als ich ihm das Kind abnahm.»
Vom ersten Telefonanruf bis zur Platzierungen sind knapp drei Stunden verstrichen. Prisca Hefter geht mit Vanessa* ins Wohnzimmer. Schlagartig verändert sich die Atmosphäre im Haus. Das Nachtessen verläuft unruhig, und in der Nacht ist nicht an Schlaf zu denken. Anstatt sich ins Bett zu legen, kriecht Vanessa schreiend darunter und lässt sich nicht mehr blicken. Erst als Prisca Hefter mit Hilfe von Puppen mit ihr redet, wird sie etwas ruhiger. Pflegevater Wolfgang Frommelt, der später nach Hause kommt, findet eine erschöpfte Frau und ein schreiendes Kind vor. Auch für ihn ist diese erste Nacht noch sehr gegenwärtig: «Ich sehe noch immer, wie ich morgens um halb drei im Kinderzimmer am Boden sitze und mit Bauklötzchen spiele.»

Zeit für Abklärungen
Am nächsten Tag trifft sich der Puzzle-Leiter Thomas Bont mit der Vormundschaftssekretärin bei der Familie Hefter Frommelt für eine Bestandesaufnahme und zur Klärung des Auftrages. Nun, da er Vanessa gut untergebracht weiss, kann er sich Zeit nehmen, den Hintergründen des Notfalls nachzugehen.
Die Vormundschaftssekretärin teilt ihm mit, dass das Mädchen schon seit einiger Zeit den Kindergarten nicht mehr besuchen durfte, weshalb bereits Massnahmen für eine sozialpädagogische Familienbegleitung bestehen – allerdings gegen den Willen der psychisch kranken Mutter. Einzig einer Betreuerin eines Heilpädagogischen Dienstes gewährte sie zweimal pro Woche Einlass. So gibt es wenigstens eine Fachperson, die das Umfeld ein wenig kennt. Obwohl die angeordneten Massnahmen nichts fruchteten, hatte die Behörde keine stichhaltigen Gründe für eine frühere Intervention. Der klassische Fall von «warten, bis etwas passiert» trat ein. Erst die Verschlechterung des psychischen Zustandes der Mutter und ihre Einweisung in die Klinik geben der Fall führenden Behörde den nötigen Handlungsspielraum.
Unglücklicherweise führt ein personeller Engpass bei der Amtsvormundschaft dazu, dass niemand Vanessas Beistandschaft übernehmen kann. Thomas Bont wehrt sich dagegen, dass ein ehrenamtlicher Laienbeistand eingesetzt wird. Er bietet der Vormundschaftsbehörde an, sich um die Anschlusslösung zu sorgen, bis die Beistandschaft errichtet ist.
In der Beschreibung des Puzzle-Angebotes steht: «Die Notplatzierung erfolgt kurzfristig für die Dauer von einigen Tagen bis etwa drei Monaten. Es ist eine Übergangslösung mit dem Ziel, den Schutz des Kindes zu gewährleisten. Dadurch wird die Familiensituation entlastet und die Krisensituation beruhigt. Während der Notplatzierung wird die Zukunftsperspektive des Kindes geklärt und eine Anschlusslösung in tragfähige Verhältnisse gesucht.» Mit diesen Zielvorgaben fragt sich der Puzzle-Leiter: «Was geschieht mit Vanessa, wenn sich die Mutter erholt hat und wieder in ihre Wohnung zurückkehrt? Ist eine Rückplatzierung möglich? Wenn ja, welche begleitenden Massnahmen sind nötig? Ist auch eine Tagesbetreuung denkbar, oder braucht es einen Dauerpflegeplatz, sogar bei einer professionellen Familie?»

Wie geht es dem Kind?
Zuerst will Thomas Bont das Mädchen kennen lernen, um sich ein differenziertes Bild über dessen Gesundheit und Verhalten zu machen. Dabei sind die SOS-Pflegeeltern wichtige Gesprächspartner und Informationsträger. Sie haben die Aufgabe, genau zu beobachten, ihre Erlebnisse mit dem Kind zu beschreiben und ihre Wahrnehmungen zu schildern. Ihre Aussagen sind für die Entscheidungsfindung von Bedeutung.
Die Pflegeeltern Hefter Frommelt stellen fest, dass Vanessa unsicher und ohne Halt ist, dass sie kein Vertrauen hat, kein Verhältnis zu Nähe und Distanz. Es gibt für sie keine «fremden Leute». Sie hat kein Repertoire an kindlichen Beschäftigungen, sie kann weder spielen, noch malen oder zeichnen. Bereits am frühen Morgen möchte sie fernsehen. Andererseits kann sie bereits Tee oder warme Milch zubereiten und weiss, dass eine Cocktailsauce entsteht, wenn man Ketchup mit Mayonnaise mischt. Im Umgang mit dem jüngeren Pflegekind der Gastfamilie ist sie unberechenbar. Es wird für alle Beteiligten immer offensichtlicher, dass dieses vierjährige Mädchen schon viel Schwieriges erlebt hat. Sein Verhalten ist so auffällig, dass Thomas Bont von einem seelisch verletzten, vernachlässigten Kind spricht, das keinerlei natürliche Regulierung kennt und eine Bindungsstörung hat.
Er ist sich bewusst, dass die SOS-Pflegefamilie vor einer grossen Belastungsprobe steht. Alle wissen, dass es anstrengend und dynamisch wird für die kleine Familie. Doch die Dauer des Arbeitseinsatzes ist überblickbar.

An die Grenze der Kräfte stossen
Während dieser Abklärungsphase bemüht sich die Puzzle-Gastfamilie intensiv um einen geregelten Tagesablauf, in dem sich Vanessa wohl und eingebunden fühlen kann. Das ist allerdings ein sehr schwieriges Unterfangen und stellt die Belastbarkeit der Familie auf eine harte Probe. Entlastungsmöglichkeiten gibt es so gut wie keine, denn Vanessa demontiert auch in anderen Haushalten die Wohnungseinrichtungen. Es gibt niemanden, der das Mädchen für länger als eine Stunde oder gar ein zweites Mal «hüten» will. Dass Vanessa den Kindergarten auch am Wohnort der Gastfamilie nicht besuchen kann, ist ein Entscheid, den die Pflegeeltern im Nachhinein in Frage stellen. Sie haben dadurch während der ganzen Platzierungsphase keine freie Minute. Und je länger diese Platzierung dauert, desto mehr spüren sie die wachsende Spannung.
Vanessa ist ihre weitaus schwierigste Herausforderung. Noch nie zuvor kamen sie mit einem Pflegekind so nahe an den Rand ihrer Kräfte. Rückblickend und wahrscheinlich auch im Hinblick auf eine nächste Platzierung wissen sie, was sie brauchen: Supervision und eine Entlastungsfamilie.

Eine professionelle Anschlusslösung suchen
Dass diese Notfallplatzierung die üblichen drei Monate überschreitet und fünfeinhalb Monate dauert, hat mehrere Gründe: die Verzögerung bei der Errichtung der Beistandschaft aufgrund des Stellenwechsels bei der Amtsvormundschaft, eine ablehnende Haltung der Mutter gegenüber einer Dauerplatzierung, ein zweites rechtliches Gehör der Behörde sowie das Einfädeln des Anschlussplatzes.
Thomas Bont übernimmt die Suche nach einer professionellen Pflegefamilie. Diese Platzierungsform empfiehlt er nach Rücksprache mit der Betreuerin des Heilpädagogischen Dienstes, weil die Mutter nicht in der Lage ist, Vanessa die nötige Kontinuität und Stabilität zu bieten. Vanessas Verhalten zeigt deutlich, dass sie ein gefährdetes Kind ist. Ihr Umgang mit Nähe und Distanz ist sehr auffällig. Da sie lange Zeit mit ihrer Mutter in einer emotional sehr schwierigen und unberechenbaren Situation lebte, entwickelte sich bei ihr ein unsicheres Bindungsmuster. Sie hat wenig Halt und Vertrauen und braucht deshalb klare Strukturen und Bezugspersonen, die verlässlich sind, Verständnis und einen langen Atem haben und Grenzen setzen können. Andererseits müssen die zukünftigen Pflegeeltern mit der Mutter eine konstruktive Zusammenarbeit entwickeln, damit das Pflegeverhältnis gelingt und Vanessa gefördert werden kann.

 

Der Verein Kinder- und Jugendhilfe St. Gallen
Die Kinder- und Jugendhilfe St. Gallen mit Beratungsstellen in St. Gallen und Sargans bietet Erziehungs- und Familienberatung, Jugendberatung, Wohnraum für Jugendliche und Vermittlung von Gastfamilien. Die KJH – eine professionelle Institution mit 560 Stellenprozenten – ist ein Verein und ein Sozialwerk des Bistums St. Gallen. Das Einzugsgebiet umfasst die Kantone St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden.
Thomas Bont leitet den Bereich Puzzle, Vermittlung von Gastfamilien, den er 1999 als Projektleiter aufgebaut hat. www.kjh.ch

Signet der Kinder- und Jugendhilfe St. Gallen

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Jugendliche und Berufswahl –
Empfehlungen für Eltern

Sehr geehrte Eltern

Ihre Tochter oder Ihr Sohn hat die Aufgabe, sich vor Abschluss der Oberstufe um die erste berufliche Zukunft zu kümmern. Die Aufgabe fällt in die Zeit der Pubertät, in welcher Jugendliche in der bedeutendsten Veränderungsphase ihres Lebens stehen. Deshalb fällt es ihnen manchmal schwer, die notwendigen Schritte für eine erfolgreiche Berufswahl zu unternehmen. Sie sind noch nicht ganz erwachsen und müssen meistens zum ersten Mal in ihrem Leben einen weitreichenden Entscheid treffen, der für ihr weiteres Leben als Erwachsene sehr bedeutend ist. Der Druck für Jugendliche wie für Eltern ist in der Regel geringer, wenn eine weiterführende Schule besucht wird, da der Eintritt in die Berufswelt der Erwachsenen später erfolgt.

Sie als Eltern haben Wissen und Erfahrung in der Berufswelt und haben eine Vorstellung, welche Umgangsformen und Leistungen im Berufsalltag erwartet werden. Allen Eltern ist es ein Anliegen, dass ihre Kinder einen guten Weg in die Arbeitswelt finden. Sie als Eltern wissen, dass der Berufseinstieg anspruchsvoll ist und trotzdem sind es Ihre Töchter und Söhne, welche die notwendigen Schritte tun müssen. Obschon die Schule einen grossen Teil der Vorbereitung auf die Berufswahl übernimmt, sind Sie als Eltern auf diesem Weg sehr wichtig.

In vielen Familien verläuft der Prozess des beruflichen Einstiegs ohne grössere Schwierigkeiten. Unterschiedliche Einschätzungen der Realität und verschiedene Lebenserfahrungen aufgrund der Altersunterschiede können in Familien jedoch zu Spannungen und Konflikten führen und damit einen förderlichen Prozess behindern. Im Folgenden geben wir Ihnen einige Hinweise, welche den gemeinsamen Weg erleichtern können. Diese Empfehlungen sind «weiche Faktoren». Praktische Hilfen zu den «harten Kriterien» zu den notwendigen Schritten auf dem Weg zur Berufswahl gibt es in Broschüren oder auf Webseiten. Zu verschiedenen Themen erhalten Sie nachstehend einige Empfehlungen.

Jugendliche bei der Berufswahl sind bald erwachsen. Wie Erwachsene, benötigen auch Jugendliche manchmal Unterstützung. Entscheiden müssen sie letztlich selbst; sie müssen den Entscheid auch eigenverantwortlich umsetzen. Bieten Sie Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter Unterstützung an, aber drängen Sie sich nicht auf. Versuchen Sie eher die Rolle als Coach einzu­nehmen; kontrollieren Sie so wenig wie nötig – geben Sie so viel Freiraum wie möglich.

Jugendliche können, während der Berufsvorbereitung unter erheblichem Druck stehen. Sie können Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn den Druck nicht abnehmen. Sie können aber motivieren, auf Stärken und Fähigkeiten hinweisen und unterstützen wenn es nötig ist. Damit zeigen Sie ihr Interesse und können zur Entlastung beitragen. Auch Sie als Eltern können aufgrund von Zukunftsängsten unter erheblichen Druck geraten. Versuchen Sie, Ihren Sohn oder Ihre Tochter damit nicht zusätzlich zu belasten. So können Gespräche mit vertrauten Menschen, etwas für sich selbst tun, sich Zeit nehmen für die Partner­schaft und vieles mehr entlastend wirken.

Jugendliche orientieren sich während der Pubertät vermehrt auch an Menschen ausserhalb der Familie. Überlegen Sie, welche Erwachsenen (Verwandte, Freunde, Bekannte) Ihrer Toch­ter oder Ihrem Sohn Hinweise oder Unterstützung im Hinblick auf den Beruf geben können. Sie müssen nicht alles alleine tun!

Jugendliche müssen einige Dinge zum ersten Mal in ihrem Leben tun: ein Telefonat für eine Schnupperlehre führen, eine Bewerbung schreiben. Unsicherheit oder Ängstlichkeit kann dazu führen, dass Jugendliche die notwendigen Schritte hinauszögern. Sprechen Sie Ihren Sohn oder Ihre Tochter auf diese Themen an und besprechen Sie, was Schritt für Schritt getan werden muss. Üben Sie diese Schritte allenfalls auch ein.

Jugendliche ärgern sich, wenn Eltern sie täglich ermahnen, sich zu bewerben, zu telefonieren, zu entscheiden. Nehmen Sie sich Zeit und setzen Sie sich mit Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn zusammen. Besprechen Sie, was er oder sie plant und in welcher Zeit. Vereinbaren Sie auch, dass Sie regelmässig, z.B. einmal pro Woche informiert werden, was in der vergangenen Woche konkret unternommen wurde und was bis zur nächsten Besprechung gemacht wird.
Achten Sie darauf, dass neben dem Thema Beruf auch Zeit für andere Aktivitäten bleibt, die Freude bereiten und die Beziehungen stärken.

Jugendliche können aufgrund von Absagen auf ihre Bewerbungen grosse Enttäuschungen erleben und versucht sein zu resignieren. Sprechen Sie die Enttäuschung und Frustration an und zeigen Sie Verständnis. Ermutigen Sie Ihren Sohn oder Ihre Tochter nachzufragen, weshalb sie eine Absage erhalten haben und ehrlich zu sich selbst zu sein, zu überlegen, was sie allen­falls ändern müssen.
Schauen Sie auch gut zu sich selbst. Die Erfahrung, dass die Tochter oder der Sohn Ent­täuschungen erlebt, kann auch für Eltern schmerzhaft sein und Zweifel an den eigenen Bemü­hungen nähren.

Einigen Jugendlichen gelingt es nicht, einen direkten Weg in den Beruf zu finden. Sie benötigen einen Umweg, weil sie noch nicht genügend reif sind oder durch Schwierigkeiten belastet, die es ihnen verunmöglichen, den Anforderungen gerecht zu werden. Wenn sich ab­zeichnet, dass keine geeignete Lösung gefunden wird, besprechen Sie frühzeitig, welche Übergangslösungen bestehen und im Hinblick auf die weitere berufliche Zukunft positiv genutzt werden können. Zeigen Sie aber auch auf, welche Folgen es hat, wenn sich Ihr Sohn oder Ihre Tochter nicht um die berufliche Zukunft kümmert. Sagen Sie, welche Konsequenzen Sie ziehen würden und was Sie erwarten.

Jugendliche wehren sich manchmal gegen Vieles, was ihre Eltern vorschlagen oder verlangen. Dabei kann es zu heftigen Auseinandersetzungen kommen. Holen Sie sich frühzeitig Unter­stützung von Fachpersonen bei einer Erziehungs­- oder Familienberatungsstelle, wenn Sie als Eltern nicht mehr weiter kommen und sich über die Zukunft Ihres Sohnes oder Ihrer Tochter Sorgen machen.